Tja,
das mit der Ruhe vor den Landsleuten, das ist auf einem Schiff mit
40% deutschsprachigen, ca. 15% Engländer und nochmal 15% Amis, gar
nicht so leicht. Ich glaube die Norweger und die Deutschen haben mit
jeweils 35-40% den größten Anteil an Bord ausgemacht. Einerseits ist
das ganz gut, weil viele vom Personal auch etwas deutsch sprechen,
andererseits kommt man sich manchmal etwas wie im Mallorca des
Nordens vor, wenn Tische und Liegestühle eiligst von den Teutonen
reserviert werden, dass man ja den besten Platz innehat.
Da
kann ich mich wirklich glücklich schätzen, dass ich bei Engländern
mit am Tisch sitze. Einer von ihnen kann sogar relativ gut deutsch.
David ist so um die 60 und hatte in einem Abendkurs deutsch gelernt.
Er musste vier deutsche Romane lesen im Laufe seines dreijährigen
Lehrgangs. Von Brecht über Goethe bis Kafka. Ist schon fies, oder ?
Ausgerechnet das trockenste deutsch musste er
sich
antun. Aber ich muss gestehen sein Wortschatz und seine Aussprache
waren außergewöhnlich gut. Bloß dann kam der Hit. Als wir so
deutsch-englischen Small-Talk auf dem Bug hielten hat er erzählt,
dass er während seines Arbeitslebens mal mit einem
Groß-Industriellen aus Deutschland Verhandlungen über den Bau eines
Zweiwerkes in England führte. Zwar hat seine Baufirma, für die
er
arbeitete, den Auftrag nicht gewonnen, aber als er den Namen des
deutschen Geschäftsmannes erwähnte war ich doch etwas überrascht. Es
stellte sich heraus, dass es die größte Firma in meinem Heimatdorf
ist und dass David dort vor 15 Jahren auch schon mal zu Besuch war.
Wir waren doch beide "quite amazed" als wir die Parallelen
erkannten. Irgendwie schon phantastisch, wie man unter sechs
Milliarden Menschen auf der Welt immer wieder mal einem über den Weg
läuft, der einen selbst oder zumindest die eigene Heimat mehr oder
weniger gut kennt.
Übrigens
hat das mit den Filmen jetzt auch relativ gut geklappt. Am Tag vor
meiner Abreise hab ich noch rund zweieinhalb Filme übrig. Das reicht
jetzt dann noch für Bronnoysund, dem meines Erachtens, engsten
Hafenbecken auf der ganzen Reise, sowie das Captain Dinner heute
Abend und die Abreise morgen.
Ein
paar wenige Bilder spar ich für meinen Umzug auf, der in ein paar
Tagen ansteht und dann werden wir mal sehen wie viele von den gut
1000 Bildern, die ich in drei Wochen geknipst habe, was geworden
sind. Au ja, und zuerst wusste ich nicht wohin mit den belichteten
Filmen. Bis ich in einer Toilette meiner zahlreichen Unterkünfte
einen Beutel für Damenbinden fand. Den hab ich dann ganz praktisch
zweckentfremdet.
So,
Captains Dinner war ganz nett. Das wirklich gute daran war, dass man
'smart casual' kommen durfte. Das heisst Krawatte war willkommen
aber keine Pflicht, und so genoss ich
zusammen
mit der jungen Lady am Tisch die Freiheit etwas legerer zu
erscheinen. Wir sind schließlich immer noch auf einer Fähre und
Frachtschiff entlang der norwegischen Küste. Trotzdem gab's mit
etwas bescheidenem Glanz eine nettes, geschmackvolles
drei-Gänge-Menü, wobei das Dessert standesgemäß mit Wunderkerzen
gereicht wurde. Allerdings zieht es mich so langsam wieder nach
Hause. Nicht dass ich Heimweh hätte, aber wenn so ein Pilot mit Leib
und Seele, so einer wie ich, zu lange fort ist und sei es auch in
einem erholsamen Urlaub, dann fängt es ziemlich sicher an zu jucken.
Dann kommen ganz langsam die Entzugserscheinungen und dann wird es
Zeit, dass man wieder ein Flugzeug "unter den Hintern" kriegt. Trotz
allem habe ich meinen Arbeitsplatz die ganzen zweieinhalb Wochen
nicht ein einziges Mal vermisst.
Aber eines ist sicher. Irgendwann werde ich wieder mal mit den
Hurtigruten fahren. Dann wahrscheinlich im Winter, wenn das
Nordlicht strahlt und bedeutend weniger Touristen an Bord sind.
Außerdem ist die ganze Reise dann auch etwas billiger.