MS "Jenny"  -  Reisebericht

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Lustig wird’s nur, wenn man vor Antritt der Reise dazu verpflichtet wird hinterher etwas darüber zu schreiben. „Ach sie können das doch so gut" meinte meine Schifferin auf dem Motorschiff „Jenny". Das ist dann mehr so wie Schulaufsatz nach den Sommerferien, und umso schwerer, wenn auch noch ein redegewandter Winzer mit zwei Reisen Erfahrung ganz schön vorlegt. Außerdem wohnt der Winzer sowieso an einem Fluss und hat damit natürlich um Längen Vorteile gegenüber so einem kleinen, jungen Airbus-Fahrer wie mir. Aber ich hab’ versprochen, dass ich mein bestes geben werde.

Fangen wir also an: Los geht’s an einem Sonntagmorgen im Oktober. Drei Uhr morgens aufstehen und noch schnell ‘ne Ladung Spät-Urlauber nach Ibiza Kutschern. Dafür bin ich auch um 11 Uhr schon wieder zurück. Ab nach Hause und in den Zug nach Straubing. Da geht’s auch schon los. Wie kommt man von Aschaffenburg nach Straubing. „Über Plattling geht's am schnellsten", sagt zumindest die freundliche Dame von der Bahn. Also gut, nicht in Regensburg umsteigen, sondern an Straubing vorbeifahren, und in Plattling umsteigen in die Gegenrichtung. Wenn, ja wenn der Zug pünktlich ankommt, man weiß wo der andere abfährt und man sich bei fünf Gleisen Auswahl nicht gleich verläuft. Na ja, wie auch immer, Papa Scheubner sagt mir am Telefon dass er pünktlich in die Schleuse Straubing einläuft und da bleibt nur noch das Taxi, denn der Zug ist weg, der nächste kommt in einer Stunde, dann ist’s zu spät und den Spott der Schiffsbesatzung ist einem eh’ schon sicher. Nächstes mal flieg’ ich wieder, das kann ich wenigstens.

Todmüde falle ich nach den ersten vorsichtigen Schritten an Bord und ‘nem Abendessen in meine Koje. Dafür lässt mich der Schiffer am nächsten Morgen auch eine Viertelstunde länger schlafen. Erst um 6:15 Uhr drückt er die „Jenny" mit dem Bugstrahl von ihrem Ankerplatz und vorgewarnt durch den Winzer Jost drehe ich mich auch gleich um und schlafe weiter. Zwei Schleusen später fahren wir so gegen acht schon durch Regensburg. Ich kann gerade noch die letzten Blicke auf den Dom erhaschen, da plagt auch schon das schlechte Gewissen, das der Schiffer schon zwei Stunden arbeitet und von seiner Optimal-Ladung „T.N.W." träumt. Die Tage fahren wir aber erst mal Container nach Rotterdam. Vormittags wird der Einkaufszettel um die Wünsche des Gastes erweitert und mittags nach dem Einkauf mit reichlichst gut bürgerlicher Küche genährt. So nach und nach stellt sich heraus, dass das alles stimmt, was der legendäre Winzer in seinem Bericht erzählt. So kann ich also ganz meiner Urlaubsbeschäftigung nachgehen, Ausspannen sowie Schiff und Landschaft fotografieren!

Nach zwei Tagen bin ich wieder erst um halb neun am Tageslicht. So ruhig wie das Wasser am Bug vorbeiplätschert kann einen da aber auch nichts aus den Federn bringen, na ja außer das Bugstrahlruder. Mist ! Hoffentlich hat sich der Schiffer ohne mich nicht verfahren ! Gleich am ersten Tag habe ich nämlich die Schifffahrtskarten im Steuerhaus entdeckt und von da an feste mitkontrolliert ob der Kapitän auch Kurs hält. Ganz so wie ich das als Copilot gewohnt bin. Das ist gar nicht so einfach, wenn's Nebel hat, aber da hilft dann das Radar. Dazu lässt mich sogar die Frau Kapitän zur Kaffeezeit auf Ihren Platz sitzen, damit ich meine Aufgabe auch während des Kuchenessens erfüllen kann. Wobei, soviel Hilfe braucht der Kapitän gar nicht mehr. Fahren kann er nämlich ! Oder haben Sie schon mal Ihr 4-Meter-Auto in eine Parklücke gebracht, die nur 4,30m lang war ? Mein Gastgeber hat das mit einem 105m-Schiff gemacht und vorn und hinten gerade mal 3m Platz gehabt ! So ganz nebenbei wiegt das Schiff mit Ladung nämlich auch 3000 to. Das nachdem er mich schon vier Tage lang im Steuerhaus ertragen musste. Denn die Parallelen zwischen Schiff- und Luftfahrt musste ich natürlich schon ausgiebigst diskutieren. Nur einmal zweifle ich kurz an den Fähigkeiten des Kapitäns. Als ich ihn frage, was das für ein Schild ist am Ufer, das mit dem weißen Quadrat, schwarzem Rand und schwarzem Kreuz in der Mitte, da behauptet er doch spontan und aus tiefster Überzeugung: „Hier ist ein Fischersmann gestorben" Beinahe wäre ich ihm ja auf den Leim gegangen aber irgendwie kam’s mir doch spanisch vor, dass immer 500m hinter einer Kilometermarke am Main ein Fischer starb.

Langsam kann ich mir auch vorstellen, was da so in einen Schiffsbauch reingeht. Also 2.300 to kann die „Jenny" laden. 395to wiegt ein vollbeladener Jumbo-Jet. Könnte man also gewichtsmäßig fast 6 Jumbos im Schiff stapeln. Ca. 115to Sprit braucht ein Jumbo-Jet von Frankfurt nach San Francisco. Als könnte die „Jenny" wäre sie ein Tanker, 20 Jumbos mit Sprit versorgen. Ach ja, genauso wie die Schiffe fliegen wir auch mal mit dem Strom, mal gegen den Strom. Luftstrom halt, besser bekannt als Wind, und „zu Tal" tun wir uns mit dem Flieger auch leichter als „zu Berg". Wenn’s in die Warteschleife geht, dann fliegen wir auch vorher schon ganz langsam, ganz so wie das der sparsame Schiffer Scheubner macht. Das braucht weniger Sprit und man hängt dann nicht so lange rum vor der Schleuse, bzw. in der Warteschleife.

Am Freitag, den 13. wird’s dann ernst. Es geht durch Frankfurt und deshalb bin ich auch schon um halb sieben wach. Gerade als wir in Mülheim im Unterwasser ankommen bin ich auch schon an der frischen Luft. Gegen Mittag wird die Einfahrt in den Rhein erwartet und kurze Zeit später geht’s durch die Berge. Von Bingen nach Koblenz. In Mainz nehmen die Scheubners erst noch ein Fernsehteam mit an Bord. Etwas Öffentlichkeitsarbeit muss ja jeder leisten, wenn er nicht will, dass sein Gewerbe in Vergessenheit gerät. Prompt werde ich natürlich mit eingebaut in das Leben an Bord. Gar nicht so einfach, wenn man die Frau Kapitän fragen soll wo’s denn hingeht, wenn man das schon seit fünf Tagen weiß. Vor der Burg Kaub machen die auch noch ein Interview mit mir, wo ich die doch eigentlich fotografieren wollte. Aber das mach’ ich bei meiner nächsten Fahrt und dann fahr’ ich von Koblenz mit zu Berg, dann zieht die schöne Landschaft nämlich nicht ganz so schnell an mir vorbei.

In der Zwischenzeit ist unser Fahrweg richtig breit geworden und sachte schwingt das Schiff auf den Heckwellen des Gegenverkehrs. Das macht schon Spaß und ist beeindruckend wie so ein 105m-Schiff sich durchbiegen kann. Bei Düsseldorf stehen wir dann plötzlich im Stau. Eine neue Brücke wird gebaut und da darf’s nicht zu sehr schaukeln, wenn der Schwimmkran das neue Teil reinhebt. Deshalb gibt’s nur Einbahnstraßenverkehr. Da fällt uns wieder auf, dass es auch auf den Wasserstraßen kleine Verkehrsrowdys gibt. Manchen wird die Wartezeit zu lang und unter den Augen der Wasserschutzpolizei, die nicht eingreift, schummeln sie sich nach vorne. Gut das Papa Scheubner holländisch kann, so kriege ich später noch synchron übersetzt, wie sich der Drängler bei seinem Kollegen über Funk damit brüstet, wie er das jetzt wieder hingekriegt hat. Eines hab’ ich während dieser Fahrt auch gelernt. Ärmere Holländer haben einen LKW mit Bett hintendrein, wohlhabendere ein Auto mit Wohnanhänger und reichere ein Hausboot mit Frachtraum vornedran. Aber einen Vorteil haben die Niederländer ja. Irgendwie wird das Transportgewerbe im Benelux-Staat steuerlich einfach viel, viel besser gestellt als hierzulande. Egal ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft.

 

Dafür sind die Sichtverhältnisse schlechter und Landschaft am Rande der Flüsse, na ja erst mal nicht vorhanden.

Mit den Eindrücken von den Rotterdamer Hafenanlagen verlasse ich das Schiff und reise zurück nach Hause. Diesmal mit dem Flieger, damit nichts schief geht.

 

Eines habe ich mir fest vorgenommen. Wenn ich mal die Ladung T.N.W. an Bord habe, dann rufe ich die MSG an, damit wir vom Zielflughafen aus direkt in die „Jenny" umladen können.

Damit grüße ich meine Gastgeber und wünsche Ihnen immer das bisschen Wasser unterm Kiel, das ich an Luft unterm Flügel brauch’, damit wir beide, Schiffer und Flieger, oben bleiben.

 

Bis zum nächsten Mal

Euer Airbus-Fahrer